Wie funktioniert Zauberkunst?

Wie funktioniert Zauberkunst?

HIER schrieb ich bereits über die Macht des Wortes in der Zauberkunst.

Mein Vorbild und Guru, der spanische Zauberkünstler Juan Tamariz, sagt in der amerikanischen Fachzeitschrift „Genii“ etwas, das über das reine Wort weit hinaus geht:

„Ich benutze Timing und Ablenkung, aber wirklich wichtig ist vor allem das Erinnerungsvermögen. Ich habe dies über 20 Jahre studiert und habe gelernt, das Erinnerungsvermögen der Zuschauer ‚gegen sie‘ zu benutzen. Das Langzeitgedächtnis ist chemisch basierend, das Kurzzeitgedächtnis elektrisch. Ein kurzer Eindruck, ein elektrischer Gedanke also, braucht ein Weilchen, bis er chemisch wird. Ich weiß, wie man den kurzen Eindruck noch kürzer machen kann. Was im elektrischen Gedächtnis passiert, kann von Dingen gelöscht werden, die in das chemische Gedächtnis übergehen. Dies und Ablenkung nutzend, kann ich ein Kartenspiel in voller Sicht sortieren. Ich kann Menschen dazu bringen, zu glauben, sie hätten ein Kartenspiel gemischt, obwohl sie es nur abgehoben haben. Sie erinnern sich an Dinge, die nie geschehen sind und vergessen tatsächlich Passiertes.“

Ist Zauberkunst nicht was Wunderbares?

 

Das Wort in der Zauberkunst

Das Wort in der Zauberkunst

„Im Anfang war das Wort“ sagen die Bibel und Goethe.

Der moderne Kommunikationswissenschaftler hat hingegen herausgefunden, dass die menschliche Kommunikation nur zu 7 Prozent über den Inhalt der Worte funktioniert.

Ich glaube, in der Zauberkunst trägt das Wort wesentlich zur Täuschung und emotionalen Beteiligung der Zuschauer bei.

Der großartige Münchener Zauberkünstler Jörg Alexander sagt z.B. wenn er ein Seil zerschneidet: „Die Schere durchtrennt das Seil Faser für Faser.“ Wenn die Erbse beim Hütchenspiel unter das Glas, in die Nuss wandert, benutzt er die Formulierung „…wie ein Lichtstrahl“.

Jörg erzeugt so ganz bewusst bestimmte Bilder im Kopf seiner Zuhörer. Niemand wird mehr vergessen oder anzweifeln, dass das Seil tatsächlich zerschnitten wurde. Und was für eine Steigerung der magischen Wirkung, wenn ich mir vorstelle, dass die Erbse das Glas wie ein Lichtstrahl durchdringt!

Davon inspiriert, habe ich mir meinen Vortrag zum klassischen Ringspiel erarbeitet:
Ständig benutze ich Wörter wie Stahl, massiv, solide, fest verschlossen, kugelsicher, wasserdicht, usw. Ich spreche von „hermetisch voneinander getrennten“ und von „untrennbar miteinander verketteten“ Ringen. Damit etabliere ich (hoffentlich 😉 ) bestimmte Assoziationen in den Köpfen der Zuschauer. Das wiederum führt zu einem stärkeren magischen Erlebnis.

Wenn ich sage: „Bitte untersuchen Sie den Gegenstand nochmals.“ impliziert dies automatisch, dass der Gegenstand schon einmal untersucht wurde! Wenn ich rekapituliere: „Sie haben gemischt, dann haben Sie eine Karte bestimmt, dann Sie eine Zahl“ habe ich vielleicht eine für die Methode wichtige Reihenfolge vertauscht. Außerdem hat der Zuschauer vielleicht nicht gemischt, sondern nur abgehoben (da er im Kunststück vorher tatsächlich gemischt hat und ich körpersprachliche Mittel zusätzlich nutze, fällt es ihm auch sehr schwer, hier nicht zu zustimmen – aber wir schweifen ab 😉 ).

Zu guter Letzt: Wir erzeugen also mit unseren Wörtern Bilder im Kopf des Zuhörers. Und ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Damit behalten also auch die modernen Kommunikationswissenschaftler recht. 😉

 

(Foto-Copyright: Zeitgeschichtliches Forum Leipzig/PUNCTUM/Alexander Schmidt)